Kroatisch-französische Beziehungen
Die kroatisch-europäischen Beziehungen waren in der Karolingerzeit nach wie vor von den Beziehungen zu der westlichen kulturellen Ökumene im Allgemeinen geprägt; mit der karolingischen Renaissance gewann diese Kultur auch in Kroatien eine allgemein europäische Bedeutung. Die materiellen Erscheinungsformen solcher Beziehungen lassen sich in erhaltenen Exemplaren vorromanischer Kirchenbauten erkennen, die in Kroatien, vor allem in der Ornamentik, u.a. die Charakteristiken der Plastik mit dem kroatischen Flechtwerk aufweisen. In dieser Hinsicht zeichnet sich besonders die St. Donatus Kirche in Zadar aus, die wegen ihrer Monumentalität und weiterer architektonischer Merkmale, mit ihrem Vorbild, der ursprünglichen Hofkapelle Karls des Großen in Aachen verglichen wird. Es ist bekannt, dass der Bischof Donatus von Zadar (nach dem die Kirche später benannt wurde) Karl dem Großen seinen Besuch abstattete (805/806).
Die ersten Kontakte zur französischen Kultur kamen durch die französische Ordensgemeinschaft der Benediktiner zustande, so dass im Rahmen ihres Wirkens in Kroatien viele Klöster erbaut wurden. Als das Bistum Zagreb gegründet wurde (1094), wurden liturgische Bücher und Reliquiare aus französischen Regionen nach Kroatien gebracht. Der gelehrte Mönch Hugo de la Scura de Franza war Abt des Benediktinerklosters auf der Insel Mljet, und die Debatten des französischen Dominikaners Laurent d'Orleans (La Somme le roi) aus dem 13. Jahrhundert sind auch als glagolitische Abschriften vorhanden. Bezeichnete der Ausdruck littera francigena nach wie vor die fränkische Schriftart, d.h. die karolingische Minuskel, so begann man den Ausdruck lingva francigena für die Bezeichnung der französischen Sprache zu gebrauchen. Diese altfranzösische Sprache gebrauchte auch Geoffroi de Villehardouin, Chronist des Vierten Kreuzzuges, und zwar bedauerlicherweise in seinen Beschreibungen der Eroberung Zadars im Jahr 1202 seitens der Kreuzfahrer. Die Eroberung erfolgte im Auftrag von Venedig, das den Kreuzfahrern als Gegenleistung ihre Reise nach Konstantinopel bezahlte. In seiner Beschreibung der Ereignisse (La conquête de Constantinople) berichtete er, Zadar sei "eine der am stärksten befestigten Städte der Welt (...) und man weder eine schönere, stärkere noch reichere Stadt finden" könne. Bereits im 14. Jahrhundert sprachen etliche Bewohner der alten Vlaška Straße in Zagreb teilweise fließend Französisch. Dort siedelten sich nämlich anlässlich des Baus der Kathedrale französische (und italienische) Handwerker an. Zur Bezeichnung von Muttersprachlern einer romanischen Sprache benutzten die Westslawen damals in der Regel die Bezeichnung "Vlasi" (Walachen). Von daher rührt der Name dieser auch heute recht lebhaften Zagreber Straße.
Neben dem weit bekannten kroatischen Theologen und Übersetzer aus dem Arabischen ins Lateinische, Herman Dalmatinac, aus dem 12. Jahrhundert sowie etlichen Adligen hatte auch der unvermögende kroatische Glagoliter Juraj aus Slawonien (bekannt auch als Georges de Rayn und Georges de Sorbonne) im 14. Jahrhundert an der Sorbonne den Magistertitel erworben, wonach er im Jahr 1401 Abgesandter dieser Universität bei der Königin Elisabeth von Bayern wurde. In Frankreich konnte man in jener Zeit häufiger Kroaten antreffen, allen voran die Dubrovniker. Der erste unter ihnen, der an der Sorbonne studierte, war Ivan Stojković (15. Jh.), zur gleichen Zeit wirkte in Paris auch der Latinist Ilija Crijević (Cervinus). Saro Gučetić verhandelte im Namen des französischen Königs François I. mit Süleyman dem Prächtigen und verfügte dabei über die Vollmacht, geheime Verträge abzuschließen. Die erste bekannte Übersetzung eines kroatischen Schriftstellers ins Französische waren die von Philippe Desportes (1546 – 1606) übersetzten Sonetten des Petrarkisten Dinko Ranjina. Das Werk Über die Kaufmannskunst von Benedikt Kotruljević wurde nach der venezianischen Ausgabe ins Französische übersetzt und im Jahr 1613 in Lyon gedruckt. Der meistübersetzte Kroate war indes der Schriftsteller Marko Marulić aus Split. Sein in lateinischer Sprache verfasstes Werk Institution (De Institutione) erlebte sieben französische Auflagen. Die Dubrovniker wirkten ebenfalls am Hof und beteiligten sich aktiv am kulturellen Leben und an der Wissenschaft in Frankreich. Der herausragendste unter ihnen war Ruđer Bošković, der im Jahr 1773 nach Frankreich kam, als er zum Direktor der Optik bei der französischen Kriegsmarine ernannt wurde. Bereits im Jahr 1748 wurde er auswärtiges Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften.
Gleichzeitig mit der diplomatischen Tätigkeit der Dubrovniker in Frankreich errichtete Frankreich in Dubrovnik ein Konsulat. Einer der Konsuln heiratete sogar in Dubrovnik, sein Sohn war der bekannte kroatische Dichter Marko Bruerović (Marc Bruère Desrivaux). Eine wahre Besessenheit von der französischer Literatur , ja gar von einem spezifischen Lebensstil wurde in Dubrovnik mit der Wendung Frančezarije (dt. "französisches Allerlei") zum Ausdruck gebracht. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wurden allein von Molière 24 Theaterstücke übersetzt, welche die Dubrovniker teilweise bearbeiteten, indem sie eigene Verwicklungen in die Werke einfügten. Doch der erste, der sich an eine ernsthafte Übersetzung Molières heranwagte, kam aus dem Norden; es war der kroatische Fürst Fran Krsto Frankapan, der George Dandin in den kajkavischen Dialekt übersetzte; dies begab sich zu der Zeit vor seiner Hinrichtung, während er auf die Ausführung der über ihn verhängten Todesstrafe wegen Verschwörung gegen den Kaiser wartete (1670).
Aus Frankreich verbreiteten sich nach Kroatien viele neue Ideen, darunter auch die ersten Freimaurerlogen. Im Jahr 1769 gründete Graf Ivan VIII. Drašković in Glina die Loge L'amitié de guerre (Feldloge). Die Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution wurden immer präsenter. Nach der Verkündung der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (1789) und nach der Kundmachung des Nationalkonvents, wonach alle unterdrückten europäischen Völker unterstützt würden, entstanden in Zagreb und Dubrovnik die Jakobinerklubs.
In der Zeit der napoleonischen Illyrischen Provinzen wurden die kulturellen Verbindungen zu Frankreich stärker, so dass viele französische Ausdrücke, vor allem aus dem Bereich der Verwaltung, in die kroatische Sprache übernommen wurden. Der französische Schriftsteller Charles Nodier interessierte sich für die kroatische Literatur, sein in Frankreich äußerst erfolgreicher Roman Jean Sbogar (1818) war von einem istrischen Rebellen inspiriert. Parallel zu der Veröffentlichung der ersten gedruckten kroatischen Zeitung (Kraglski Dalmatin, 1806) und überwiegend italienischer Wörterbücher der "illyrischen" Sprache verfasste der Pfarrer der Region Lika, Šime Starčević, im Jahr 1812 das erste kroatische Handbuch für das Erlernen der französischen Sprache: "Neue illyrisch-französische Grammatik" (Nova ričoslovnica iliričko-franceska).
Da es in Europa Mode geworden war, in den exotischen Osten und daher auch in den "wilden Balkan" zu verreisen, veröffentlichten mehrere französische Schriftsteller ihre Aufzeichnungen und Eindrücke über die kroatischen Landschaften. Die populärsten Publikationen waren das aufwendig gestaltete Werk Voyage von Louis-François Cassas (1802) und das mit 257 exzellenten Gravierungen illustrierte Werk Les bords de l'Adriatique et le Monténégro von Charles Yriarte, einem französischen Adligen baskischer Abstammung. Die größte Popularität erlangte Prosper Mérimée mit seinen «illyrischen» Themen im Werk La Guzla (1827), benannt nach einem kroatischen (und balkanischen) Saiteninstrument (Gusle), auf dem die Volkssänger ihre epischen oder lyrischen Lieder begleiten. In dieses Werk fügte er die von Alberto Fortis verfasste, authentische Übersetzung der berühmten Ballade "Klaggesang von der edlen Frau des Asan Aga" (Tužne balade plemenite supruge Hasan-age). Dabei präsentierte Mérimée, der selber nie in Kroatien war, jedoch etliche eigene Gedichte als "illyrische", in "Dalmatien, Bosnien, Kroatien und in der Herzegowina gesammelte" Dichtung. Unter den Übersetzungen kroatischer Werke ins Französische war die Übersetzung von Gundulićs Werk Osman (1838) die bedeutendste.
In der Zeit der illyrischen Bewegung waren die Franzosen in den Augen der Kroaten "die allererste Nation in Europa" (Adolfo Veber Tkalčević). Auf dem College de France popularisierte der Pole Adam Mickiewicz u.a. südslawische Themen. Dessen Nachfolger Cyprien Robert kam nach Zagreb, wo er den kroatischen Politiker und Kulturförderer Ljudevit Gaj traf. Hippolyte Desprez, der das Jahr 1845 in Kroatien verbrachte, setzte sich besonders intensiv für die illyrische, eigentlich kroatische nationale, kulturelle und politische Bewegung ein, und zwar mit seinem öffentlichen Wirken und seinem Buch "Völker Österreichs und der Türkei" (Les peuples de l'Autriche et de la Turquie), welches eine einleitende Abhandlung über Kroatien und die illyrische Bewegung beinhaltet.
Der kroatische Sabor versuchte seit 1861, die französische Sprache in die kroatischen Schulen einzuführen, was ihm im Jahr 1876 auch gelang. Zudem wurde an der Universität das Lektorat für die französische Sprache gegründet, so dass solide französisch-kroatische Wörterbücher und Grammatiken gedruckt wurden. Es wurde zu einer Tradition, dass renommierte französische Slawisten als auswärtige bzw. Ehrenmitglieder der Akademie der Wissenschaften und Künste (JAZU/ HAZU) in Kroatien gewählt wurden, wie auch in umgekehrter Richtung. Dem kroatischen Theaterwissenschaftler Slavko Batušić zufolge wurden im Zeitraum von 1840 bis 1940 insgesamt 553 französische Theaterstücke übersetzt und aufgeführt. Neben dem unumgänglichen Molière wurden Bühnenstücke von Pierre Corneille und Jean Racine dargeboten. Den Weg für eine breitere Akzeptanz der französischen Literatur ebnete in erster Linie der kroatische Literaturklassiker August Šenoa, der in der Zeitschrift Vijenac (dt. Der Kranz) Texte mehrerer französischer Autoren veröffentlichte. Auf der anderen Seite wurden von 1879 an auch Šenoas Romane ins Französische übersetzt. Daneben gibt es so zahlreiche übrige literarische Übersetzungen, dass man sie hier nicht alle aufzählen kann; die Werke aller namhaften französischen Schriftsteller wurden ins Kroatische übersetzt; der größten Popularität erfreute sich Victor Hugo, den man auch als Verteidiger der Menschenrechte sah. Doch gab es noch weitere Franzosen, welche die einheimischen Schriftsteller beeinflussten, vor allem Gustave Flaubert und Émile Zola (dessen Vater ein Nachkomme einer aus Venedig und Zadar stammenden Familie war). Im Fremdwörterbuch (Rječnik stranih riječi) von Vinko Šeringer (1889) wurden 780 kroatische Wörter französischer Herkunft eingetragen.
Da Paris das führende Kulturzentrum Europas überhaupt wurde, wendeten sich kroatische Künstler zunehmend von den deutschen und von anderen Kulturzentren ab und Frankreich zu. Einer der wichtigsten Künstler war der Schriftsteller Antun Gustav Matoš, der im Zeitraum von 1898 bis 1904 in Paris gelebt hatte, und somit in hohem Maße nicht nur den Geist der französischen Literatur, sondern auch die Prinzipien der Literaturkritik (Jules Lemaître, Anatole France) in Kroatien vermitteln konnte. Seinem Weg folgten auch andere bedeutende kroatische Schriftsteller, wie Tin Ujević, Josip Kosor und Janko Polić Kamov, die bei ihren Zusammentreffen die Atmosphäre im Café du Dôme und La Rotonde genossen. Einige Schriftsteller gaben sich vollkommen den französischen künstlerischen Trends hin, wie z. B. Radovan Ivšić dem Surrealismus der Brenton-Gruppe. Was die bildende Kunst betrifft, durfte Vlaho Bukovac seine Werke mehrmals im Pariser Salon ausstellen, wo er auch Auszeichnungen erhielt. Die Maler Vladimir Becić, Miroslav Kraljević und Josip Račić wurden in ihrem Schaffen von Édouard Manet beeinflusst, und der weltbekannte Bildhauer Ivan Meštrović sah sein Vorbild in Auguste Rodin, zu dem er auch persönliche Kontakte pflegte.
Mit der Gründung des Französischen Instituts 1924 in Zagreb begann man ernsthaft daran zu arbeiten, die französische Öffentlichkeit mit der kroatischen Kultur richtig vertraut zu machen. Bereits im Jahre 1928 wurde über Krležas literarische Arbeit sowie über die Theateraufführungen seiner Dramen geschrieben. In einer Bibliographie der Literaturwerke, die aus dem Kroatischen ins Französische übersetzt wurden (1813 – 1968) listete Stanko Lasić 312 übersetzte Autoren auf. Für die Stärkung der zwischensprachlichen Beziehungen war die im Jahr 1952 vollzogene Gründung der Gesellschaft Französische Allianz –L'Alliance Française von Bedeutung. Dabei spielte eine entscheidende Rolle Petar Guberina, Autor eines anerkannten Systems zur Entwicklung der Sprachfähigkeit, dessen bekannte Abkürzung SUVAG aus dem Französischen abgeleitet wurde – Système universel verbotonal d'audition – Guberina.
Gegen Ende der 1950er Jahre entwickelte sich Zagreb zu einer interessanten kulturellen Metropole, was teilweise auch an dem besonderen politischen Status des damaligen (blockfreien) Jugoslawiens lag. So kam im Jahr 1960 auch Jean-Paul Sartre nach Zagreb, der mit Krleža und anderen kroatischen Schriftstellern zusammentraf und vor einem breiten Publikum auftrat. Neben dem Festival Musik Biennale Zagreb, das zum ersten Mal der avantgardistischen Musik die Türen öffnete, versammelten sich in demselben Jahr (1961) Künstlergruppen aus West- und Osteuropa, darunter die Gruppe Grav aus Frankreich und riefen damit eine eigenartige Bewegung in der bildenden Kunst unter dem Namen Neue Tendenzen (1961) ins Leben. Eine der gemeinsamen Ausstellungen der Neuen Tendenzen fand 1964 im Museum der dekorativen Künste in Paris statt. In der Musik war es unter anderen der Komponist Ivo Malec, der Kroatien mit Frankreich verband. Malec hielt von 1972 bis 1990 am Konservatorium zu Paris Lehrveranstaltungen.
In der Zeit als Kroatien um seine internationale Anerkennung kämpfte und gleichzeitig darum bemüht war, die Ereignisse um den Zerfall Jugoslawiens wahrheitsgemäß darzustellen, spielten französische Intellektuelle eine wichtige Rolle, vor allem die im Bereich der Kultur und Wissenschaft außerordentlich bedeutende Persönlichkeit Mirko Dražen Grmek. Der geborene Kroate und eingebürgerte Franzose wurde Nachfolger des Physiologen Claude Bernard und war am Lehrstuhl für Biologiegeschichte an der École Pratique des Hautes Études tätig (in Kroatien war er unter anderem einer der Initiatoren und später der Chefredakteur der großen Medizinischen Enzyklopädie). Grmeks weltweit anerkannter wissenschaftlicher Ruf in der Geschichte der biomedizinischen Wissenschaften sowie sein nachhaltiges publizistisches und öffentliches Engagement (u.a. zusammen mit Marc Gjidara und Neven Šimac) bewegten wichtige Persönlichkeiten der französischen Kultur, wie etwa den Historiker Jacques Le Goff, die Philosophen Alain Finkielkraut und Pascal Bruckner oder die Schriftstellerin Louise Lambrichs dazu, sich für Kroatien einzusetzen. In diesem und einem weitaus größeren Rahmen wurde im März 2000 die französische Ausgabe des umfangreichen enzyklopädischen Werkes der Kroatischen Akademie der Wissenschaften und Künste unter dem Titel Kroatien und Europa vorgestellt, und als Krönung dieser Beziehungen wurde das Festival namens Croatie, la voici, veranstaltet, in dem von September bis Dezember 2012 in Paris und den Städten um Paris das kroatische Kulturerbe in über 60 verschiedenen kulturellen und touristischen Veranstaltungen vorgestellt wurde.